Ist Handy-TV gleichzusetzen mit MobileTV? Bedeutet mobiles Fernsehen auch “TV to go”? Egal wie man es dreht, in der aktuellen Entwicklung von Bewegtbildangeboten für das Handy sind die Begrifflichkeiten, Deutungen und deren Grenzen fließend. Grund dafür sind u.a. auch die vielfältigen technischen Standards, die sich mittlerweile etabliert haben oder dabei sind, Angebote für mobile Fernseh- und Videonutzung zu schaffen. Ihre Auswirkungen auf die jeweilige Nutzungssituation und die damit verbundenen Möglichkeiten der werblichen Nutzeransprache sollen nachfolgend kurz skizziert werden:
1. Broadcast / Simulcast
DVB-T (Digital Video Broadcasting – Handhelds; aktuell zwei Handymodelle in Deutschland erhältlich) und DVB-H (Digital Video Broadcasting Terrestrial; aktuell kein Handy in Deutschland erhältlich) sind im klassischen Sinne Angebote, mit denen simultan zur Fernsehausstrahlung eine Empfangssituation für das gleiche Programm am Handy geschaffen wird. Der Nutzer erhält damit ein Angebot, welches 1:1 die Inhalte abbildet, die parallel im Fernsehen laufen. Für DVB-H sind perspektivisch auch originäre Inhalte für das Handy geplant.
Für den Nutzer ergibt sich in beiden Fällen ein Szenario, in dem er sowohl zeitlich, als auch inhaltlich vom Angebot der Programmveranstalter abhängig ist. Dies läuft konträr zum mobilen Nutzungsverhalten, in dem er
- ja nicht wirklich weiß, wann er Zeit hat (auf dem Weg zur Arbeit, Pausen, vor Terminen etc.) mobil TV oder Video zu konsumieren und
- ihm in einer solchen Situation schlichtweg das Wissen um das jetzt gerade laufende Fernsehprogramm fehlt.
Er hat also entweder die Tagesschau verpasst, weil der Termin um 20:13 Uhr endete oder wusste nicht, dass er um 0:15 Uhr ein alternatives Nachrichtenangebot auf einem anderen Kanal hätte sehen können.
Für Werbetreibende stellt dieses Umfeld keine besondere Herausforderung dar, ist die Verlängerung der Werbebotschaft doch ohne aktives Zutun möglich: das DVB-T-Signal übernimmt ebenso wie das Programmangebot die Werbespots. Die Erhöhung des Buchungsvolumens um zusätzliche “mobile” Zuschauer sollte dies abdecken. Ob dabei relevante Größen und Qualitäten erreicht werden können erscheint fraglich, partizipieren doch die Mobilfunk-Provider nicht am DVB-T-Modell, obgleich sie dafür die Vertriebspower verantworten.
Im Falle von DVB-H ist die Einbindung von Werbeformen noch völlig offen, in Verbindung mit einem Abo-Modell für den Nutzer aber sicherlich nur reduziert umsetzbar.
2. Streaming-Angebote / Unicast
Unicast beschreibt die Verbreitung eines Contentangebots (Datenpakets) zu einem Empfänger / Nutzer. Dabei entscheidet sich der Nutzer aktiv für das Angebot und lädt dieses von einem Server herunter, meist über UMTS-Verbindungen. Entsprechende Angebote existieren in Deutschland bei fast allen Mobilfunk-Providern und finanzieren sich dabei über die Tarife für Datenübertragung.
Der Nutzer kann dabei aus ausgewählten TV-Formaten wählen, diese sind zumeist kürzer als die Originale, um das Datenvolumen zu reduzieren. Anlässlich von Sportereignissen oder Großveranstaltung werden aber auch Livestreams angeboten. Das Nutzungsszenario setzt immer voraus, dass eine UMTS-Verbindung besteht: Befindet sich der Nutzer in der Münchner U-Bahn oder im Flugzeug ist eine MobileTV-Nutzung in dieser Form nicht möglich. Wechselt ein Nutzer während der Übertragung zwischen zwei Orten mit unterschiedlichem Empfang oder wird er beim fernsehen unterbrochen (z.B. beim Einstieg in den Bus, ins Taxi) unterbricht der Stream und muss anschließend wieder neu aufgebaut werden. Echte Mobilität sieht anders aus.
Werblich besteht im Umfeld eines Streaming-Angebotes die Möglichkeit der sogenannten “Ad Insertion”. Diese Methode leitet sich aus aktuellen Werbeformen in klassischen Video-Streams im Internet ab und speist einen Werbespot direkt in den Stream ein. Hier gibt es unterschiedliche mobile Targeting-Optionen, z. B. auf Basis der Betriebssystems des Handys oder des Contents.
Ob der Nutzer allerdings bereit ist, Werbung innerhalb eines TV-Angebots zu akzeptieren, für dessen Download / Stream er UMTS-Gebühren bezahlt, bleibt vorerst unbeantwortet. Kampagnen und Budgets werden bislang kaum platziert. Sollten sich die Kosten für mobile TV-Streams reduzieren, steigen auch Nutzer-Akzeptanz und Werbewirkung dafür.
3. On-Demand
Bei MobileTV-Angeboten dieser Art werden TV- und Videoinhalte auf dem Handy zwischengespeichert. Voraussetzung ist ein Handy mit einer Speicherkapazität von ca. 1MB (interner Speicher oder Speicherkarte) und UMTS- und/oder WLAN-Fähigkeit. Der Nutzer benötigt weder ein neues Handy, noch einen speziellen Vertrag seines Mobilfunk-Providers. Dank der Verbindung via UMTS und /oder WLAN wird der Content auf das Handy übertragen. Intelligente Services bieten dafür einen Automatismus an, der eine Aktualisierung der Inhalte ermöglicht (Push-Funktion), ohne dass der Nutzer aktiv wird. Aktuelle Inhalte sind somit stets verfügbar.
Der Nutzer sieht sich durch MobileTV über on-demand in der Lage, jederzeit und überall auf Inhalte zuzugreifen. Er benötigt keinen Netzempfang, da die Inhalte bereits bei der letzten Verbindung übertragen worden sind. Dabei handelt es sich um individuell ausgewählte Inhalte, die er zeitversetzt, aber in völliger Unabhängigkeit von deren Ausstrahlung im Fernsehen, konsumiert. Am Beispiel der Tagesschau (siehe “Broadcast/Simulcast”), wäre es so, dass sich der Nutzer zuvor selbstbestimmt dieses Angebot ausgewählt hat, die Übertragung während seines Termins stattfand und er um 20:13 Uhr die aktuelle Folge der Tagesschau ansehen kann. Im Vergleich zu einem Streaming-Angebot, kann er die Tagesschau-Folge auch mit einer Pause-Funktion anhalten und an dieser Stelle fortsetzen, ohne die gesamte Folge via Stream nochmal herunterzuladen.
Agenturen und Markenartikler haben bei On-Demand-Angeboten die Möglichkeit, Kampagnen zielgenau und messbar umzusetzen: Mobile Banner im klassischen MMA-Standard, Video-Trailer oder Pre- und Post-Roll-Ads können direkt am Content platziert werden. Klickbare Werbeformate setzen Impulse für Interaktion und Response; die Einbindung von Push-to-Call, SMS-Mehrwertdiensten oder on-demand und damit “offline” verfügbaren Produktbeschreibungen erweitert Reichweite und stärkt die Nutzeransprache /-bindung.
Welches Angebot sollte sich der Nutzer also näher anschauen und welcher der genannten Standards birgt heute schon attraktive Anreize für die Werbeindustrie?
Der Endverbraucher oder auch der Mediaentscheider macht aktuell nichts falsch, wenn er zunächst einmal seine eigene Definition von mobiler Fernseh- und Videonutzung voranstellt, seine individuellen Nutzungssituationen spiegelt und damit über Kauf oder Budgetplatzierung entscheidet. MobileTV hat Zukunft und schon heute seine Berechtigung!