Mein letzter Artikel, ich freue mich übrigens sehr über die vielen Zugriffe, behandelte die Geschichte des Predictive Targeting.
Dieses Mal wende ich mich einem aktuellen Thema zu. Vor circa zwei Wochen haben wir bei nugg.ad eine Kooperation mit Nielsen bekanntgeben können. Genauer die Kombination der Nielsen Homescan Daten mit dem nugg.ad Targeting System.
Nun haben uns ein paar Nachfragen erreicht, wie denn dieser Ansatz – Offline Panel-Daten in eine Online-Targeting System zu integrieren – funktioniert. Und was soll das überhaupt und was ist überhaupt ein Scanner-Panel…
Von daher werde ich mal versuchen in diesem Beitrag diese Fragen zu beantworten:
Was ist ein Scanner-Panel?
Marktforscher versuchen in Panels ideale Forschungs-Situationen herzustellen, indem nach einem bestimmten Verfahren Leute eingeladen werden, an dem Panel teilzunehmen. Üblicherweise wird man dafür auch “incentiviert”, also mit Bonuspunkten oder kleinen Geschenken und Verlosungen o.ä. zur Teilnahme motiviert.
Es wird dabei versucht, das Panel so zu rekrutieren, dass ein möglichst getreues Abbild der Bevölkerung entsteht – das Panel ist dann repräsentativ.
Der riesige Vorteil eines solchen – sorgsam aufgebauten und gepflegten – Panels ist die Tatsache, dass es valide Hochrechnungen auf die Gesamtbevölkerung zulässt. Wenn man also weiß, dass 10 Prozent der Panel-User sich für einen Geländewagen interessieren, kann man davon ausgehen, dass es auch 10 Prozent Potential in der Gesamtbevölkerung gibt.
Marktforschungspanels haben in der Regel mit zwei Grundproblemen zu kämpfen. Zum einen ist es häufig sehr schwierig eine gute Repräsentativität dauerhaft aufrechtzuerhalten. Wirklich gute Panels, denen das gelingt, sind teuer und selten. Und dadurch dass die Hochrechnung jeglichen Effekt verhundertfachen wird, sind selbst kleinere Fehler in der Zusammensetzung manchmal schon fatal.
Zum anderen ist es schwierig den Panelisten wirklich valide Informationen zu entlocken. Das ist an sich ein generelles Problem der Marktforschung über das aber nicht gern gesprochen wird. Die Gründe für nicht valide Antworten von Panelisten sind vielfältig. Eigentlich wird selten wirklich gelogen (das wäre zu aufwändig), es ist vor allem so, dass die erfragte Selbsteinschätzung sich häufig erschreckend wenig mit dem tatsächlichen Verhalten deckt. Wenn man also z.B. Leute fragt, “Für welchen Autotyp interessieren Sie sich?”, dann werden viele Antworten “Kompakt-Kombi”. Wenn man den Befragten dann beim Betreten eines Autohauses beobachtet, sieht man plötzlich wie er sich den Geländewagen zuwendet.
Noch schlimmer wird es bei sog. low-involvement Produkten, also den Dingen die man typischerweise im Supermarkt kauft. Man kann sicherlich fragen, “Wie häufig kaufen Sie neue Spül-Lappen?“, aber man wird keine validen Antworten bekommen.
Das ist ein gravierendes Problem für die Marktforschung, denn es gibt natürlich nicht wenige Unternehmen die sich für die Nutzung genau solcher Produkte interessieren, z.B. die Konsumgüterhersteller.
Um hier Abhilfe zu schaffen haben die Marktforscher sich immer mehr Ansätze ausgedacht, um die Produktnutzung nicht mehr zu erfragen sondern konkret zu messen. Im Falle der Konsumgüterprodukte sind das vor allem die Scanner-Panels.
Bei diesen erklären sich die teilnehmenden Haushalte bereit, dass alle Produkte, die eingekauft werden nach dem Einkauf zuhause nochmals über einen speziellen Scanner zu ziehen. Dieser Scanner ist mit dem Marktforschungsunternehmen verbunden und übermittelt regelmäßig die Ergebnisse dieser Scans. Im Ergebnis kann das Scanner-Panel hoch valide Daten zur realen Nutzung von Konsumgütern im Haushalt bieten.
Was ist Nielsen Home-Scan?
Das von ACNielsen betriebene Homescan-Panel steht außer in den USA in zahlreichen anderen Märkten zur Verfügung und wird von vielen Firmen zur Analyse und Planung ihrer Marketing-Aktivitäten genutzt.
Nielsen betreibt mit dem Homescan-Panel das weltweit führende System zur Erfassung und Analyse des Einkaufsverhaltens von Privathaushalten und es werden regelmäßig Daten von ca. 260.000 Haushalten für 27 verschiedene Länder erfasst. Die Produktdaten werden in der Regel aus den Barcodes der Produkte ermittelt und beinhalten zahlreiche Produktdetails.
Warum braucht man das überhaupt für Predictive Targeting?
Die Antwort ist eigentlich ganz einfach. Es gibt wenige Websites die sich Konsumgütern wie z.B. Halbfettmargarine widmen. Einfaches Behavioural Targeting geht also schon mal nicht, denn man findet kein Behaviour dazu.
Jetzt hat nugg.ad zwar das Predictive Targeting erfunden und damit kommt man schon um einiges weiter, denn man kann zahlreiche Merkmale die für Konsumgüterwerbung relevant sind einfach “predicten”. Das funktioniert sehr gut, wie auch schon zahlreiche Case-Studies zeigen konnten.
Allerdings ist dieser Ansatz immer noch limitiert, denn er beruht auf Befragungsdaten, die ja wie oben schon ausgeführt nur mit mittelmäßiger Qualität Informationen über die wirkliche Nutzung von Halbfettmargarine liefern können.
Da aber immer mehr Konsumgüterhersteller Online-Werbung machen wollen, wird das zunehmend zu einem Problem für die Werbeauslieferung mit Targeting.
Hinzu kommt die schiere Produktvielfalt. Wenn es also noch gut möglich ist, ein paar wichtige Details zu Autopräferenzen zu erfragen, so ist es praktisch unzumutbar in einer offenen Befragung zu fragen, “Wie viel Gramm Fleischwurst haben Sie denn ungefähr letzte Woche gekauft?”. Das Scanner-Panel liefert genau die Antwort auf diese Frage!
Also war es naheliegend unser technisches Targeting-System mit dem weltweit führenden Anbieter von Panel-Scanner-Daten zu verbinden.
(”Weltweit” ist dabei übrigens überaus wichtig, weil immer mehr Kampagnen – gerade von großen FMCG-Brands – multinational gefahren werden.)
Ist das nicht ekelhaft? Überwachungs-Staat und so?
Nein. Klar – seine Einkäufe mit einem Scanner zu registrieren und an einen Marktforscher zu melden ist nicht jedermanns Sache. Aber es ist ein fairer und sauberer Deal – die Leute werden dafür bezahlt und wissen was sie tun – und vor allem: die Daten werden natürlich nur unter maximaler Wahrung des Datenschutzes verwendet. In der Marktforschung ist es absolut undenkbar, derartige Daten mit Personenbezug weiterzugeben oder irgendwie anders als nur für Marktforschung zu verwenden.
Die Daten werden also nur für statistische Zwecke, Marktübersichten usw. verwendet und es werden keine personenbezogenen Auswertungen gemacht.
Dies ändert sich auch nicht wenn wir die Panel-Daten fürs Targeting einsetzen, denn auch hier findet nur eine statistische Nutzung statt. nugg.ad macht sozusagen Live-Marktforschung auf Basis der Panel-Daten, mehr nicht.
Und wie funktioniert das jetzt mit den Panel-Daten in der Targeting Engine?
Das ist die eigentlich spannende Frage. Denn es ist keineswegs trivial die Panel-Daten mit irgendeiner anderen Datenquelle zu verknüpfen – schon gar nicht mit den Daten eines Online-Targeting Systems.
Wir haben bei nugg.ad auch lange überlegt, ob wir überhaupt ein solches Produkt angehen sollen, da wir wissen, dass es schon zahlreiche Versuche in diese Richtung gab die dann meist in sehr mittelmäßiger Qualität mündeten. Und das sollte man dem Online-Markt nicht zumuten.
Die bisherigen Probleme haben einen sehr einfachen Grund und dieser wird allen anderen Medien in den nächsten Jahren noch sehr das Fürchten lehren. Die Amerikaner nennen es gerne “accountability”, also Messbarkeit.
Wenn man behauptet, irgendwelche Daten ins Targeting einbringen zu können, die sich nicht hart “einklinken” lassen – weil es z.B. eine einheitliche Cookie-ID gibt – dann muss man sich im Online-Marketing relativ schnell einer eindeutigen Messbarkeit bis auf Einzelfallebene aussetzen. Wenn man also z.B. behauptet Halbfettmargarine-Konsumenten von Butter-Käufern unterscheiden zu können sollte man sich vorsehen: Entweder man kann es wirklich oder man wird auf die Nase fallen – denn eine einfache Kontrollkampagne einer Agentur bringt die “Trefferquote” dann schnell ans Licht.
Das Problem ist nämlich, dass zwar Verfahren in der Marktforschung existieren, um einander fremde Datenquellen zu “fusionieren”. Aber diese Verfahren haben in der Regel explizit nicht den Anspruch eine Genauigkeit auf Fallebene herzustellen – vielmehr wird bei derartigen Fusionen ein künstlicher Datensatz generiert der vor allem im Hinblick auf Verteilungen und Anteilswerte “schön aussieht”.
Solche Datensätze sind im Prinzip mit einer Krone über einem kariösen Zahn zu vergleichen. Solange es nur ums Lächeln geht ist alles fein – beim ersten harten Biss sind die Schmerzen dann schnell groß. Ist auch kein Problem, denn in der Mediaforschung (wo hauptsächlich mit Fusionen gearbeitet wird) besteht eigentlich nie ein Interesse daran überhaupt zuzubeißen – also eine Genauigkeit auf Fallebene zu erlangen.
Im Fall eines Online-Targeting-Systems sieht das allerdings anders aus: der Ad-Server verarbeitet per Definition immer einzelne Fälle und liefert diesen konkrete Werbung aus. Und Kontrollstatistiken werden auch auf Fallebene gemacht. Online hat also mehr Biss wenn es um accountability geht. Einfache Fusionsverfahren sind daher nicht die Methode der Wahl um Konsumdaten online planbar zu machen.
Bei nugg.ad haben wir stattdessen ein Verfahren entwickelt, das versucht die Paneldaten so an konkrete Fälle “dranzuschätzen”, dass sowohl die Struktur der Daten erhalten bleibt, als auch eine ausreichende Fallgenauigkeit erzielt wird.
Konkret gelingt dies, indem unser System die Anreicherung mit den Paneldaten in mehreren Schritten vollzieht – alles innerhalb weniger Millisekunden wohlgemerkt.
Bei dieser mehrstufigen Vorgehensweise wird ein Online-Fall sozusagen schrittweise in einen Panel-Fall übersetzt – dabei wird der Schätzalgorithmus nicht nur einmal bemüht sondern mehrfach aufeinander aufbauend. Die dabei eingesetzten Algorithmen sind zudem “verteilungssensitiv”, d.h. sie können schon prinzipiell eine fallweise Schätzung unter Berücksichtigung einer vorgegebenen Struktur vollziehen. Eine absolut notwendige Voraussetzung um die Panel-Schätzung erfolgreich hinzubekommen.
Auch wenn dieses Verfahren sehr gut funktioniert und die Vorgehensweise erprobt ist – von den mehr als 700 Produktkategorien des Nielsen Homescan-Panels werden wir anfangs nur sehr vorsichtig und nach ausreichender Prüfung Targeting-Variablen ableiten. nugg.ad wird dabei dem Prinzip des “non-bullshitting” treu bleiben und nur Dinge anbieten, die dann auch einer Prüfung standhalten.
Fürs Online-Marketing ist die Tatsache, dass nun europaweit die Daten des Nielsen Homescan-Panels fürs Targeting zur Verfügung stehen so oder so eine Revolution. In keinem anderen Medium ist es möglich zielgenau Margarine-Nutzer mit Werbung zu versorgen ohne den Butter-Nutzern zu viel schlechtes Gewissen zu machen. Online geht das jetzt!